BRIEF EINER Kran­ken­schwes­ter in Aus­bil­dung – Teil 1

BRIEF EINER Kran­ken­schwes­ter in Aus­bil­dung- nehmt euch die Zeit lest und teilt, DAS IST UNSER ALLER ZUKUNFT!

Wenn sich nichts ändert.… Wollt IHR so behan­delt wer­den, wenn IHR Behand­lung braucht! Pfle­ge­kräf­te „haken“ ab. Täg­lich.
Am Ende jedes Diens­tes. Sie unter­schrei­ben, wel­che Pro­phy­la­xen sie an einem Pati­en­ten durch­ge­führt haben.
Dass sie mit ihm/ihr Atem­übun­gen gemacht, die Haut auf Druck­stel­len unter­sucht und ein­ge­cremt, dem­je­ni­gen Bewe­gungs­übun­gen gegen Throm­bo­sen gezeigt hät­ten.
Sie unter­schrei­ben, dass sie bei einem lie­gen­den Bla­sen­dau­er­ka­the­ter min­des­tens ein­mal pro Schicht eine Intim­pfle­ge vor­ge­nom­men haben, um Harn­wegs­in­fek­te zu ver­mei­den.

Sie unter­schrei­ben, dass ein Pati­ent alle zwei Stun­den umpo­si­tio­niert wur­de, da er sich selbst nicht bewe­gen kann. Dass er bei jeder die­ser Gele­gen­hei­ten etwas zu Trin­ken und evtl. eine Zwi­schen­mahl­zeit erhal­ten hat. Dass zwei Mal in der Schicht eine spe­zi­el­le Mund­pfle­ge durch­ge­führt wur­de, da der Pati­ent nicht rich­tig schlu­cken kann und um einer Lun­gen­ent­zün­dung vor­zu­beu­gen.
Sie unter­schrei­ben die Gabe von Inha­la­tio­nen und Medi­ka­men­ten, die der Pati­ent erhal­ten soll.
Das Alles haben sie nicht gemacht. Sie hat­ten kei­ne Zeit dafür. Ich ver­ste­he, dass vie­le Kol­le­gen mit der Zeit abstump­fen. Nie mit der Arbeit fer­tig zu wer­den und abends nicht Akten­ber­ge, son­dern kran­ke und bedürf­ti­ge Men­schen lie­gen zu las­sen, ist psy­chisch schwer zu ver­kraf­ten.
Man will sein Bes­tes geben, man sieht sei­ne Arbeit viel­leicht sogar als die oft genann­te „Beru­fung“, wird aber kon­ti­nu­ier­lich von den Arbeit­ge­bern, der Poli­tik und der Struk­tur des Gesund­heits­sys­tems dar­an gehin­dert, dies zu tun.

Es sind zu vie­le Auf­ga­ben für zu weni­ge Men­schen. In ande­ren Län­dern füh­len sich Pfle­ge­kräf­te gestresst, wenn sie mehr als sechs oder sie­ben Pati­en­ten­ver­sor­gen.
In Deutsch­land kommt es regel­mä­ßig vor, dass eine Pfle­ge­kraft allei­ne im Dienst ist und für 20 oder mehr Per­so­nen ver­ant­wort­lich ist. Sie bekommt dabei aber kei­ne Unter­stüt­zung von Büro­kräf­ten, die die Akten vor­be­rei­ten, von Hilfs­kräf­ten, die Geträn­ke ver­tei­len und Bet­ten bezie­hen, von Pfle­ge­hel­fern, die dafür aus­ge­bil­det sind, die Kör­per­pfle­ge bei bedürf­ti­gen Pati­en­ten zu über­neh­men oder sie auf die Toi­let­te zu beglei­ten, wie es in vie­len Län­dern die Regel ist.
Unter­stüt­zung bekommt sie ledig­lich durch einen „Schü­ler“ oder Prak­ti­kan­ten. Nachts ger­ne auch von nie­man­dem.

Ich habe schon oft Beschwer­den gehört, es kön­ne nicht sein, dass ein Mensch unbe­merkt stun­den­lang tot in sei­nem Bett liegt, bevor jemand es bemerkt.

Mei­ne Fra­ge ist: wer soll es denn bemer­ken? Wenn ich auf einer Sei­te der Sta­ti­on mit mei­nem Rund­gang begin­ne, dau­ert es min­des­tens zwei Stun­den, bis ich das nächs­te Mal nach den Pati­en­ten dort sehen kann – falls in der Zwi­schen­zeit kein Not­fall ist, der mich eine zusätz­li­che hal­be Stun­de in Anspruch nimmt.
Wenn Sie Ihren Ange­hö­ri­gen im Kran­ken­haus besu­chen und nach einer „Schwes­ter“ klin­geln (die offi­zi­el­le Berufs­be­zeich­nung lau­tet Gesund­heits- und Krankenpfleger/in), damit sie die Per­son von der Bett­schüs­sel befreit, und die­se nach einer hal­ben Stun­de immer noch nicht da ist, muss das kein böser Wil­le sein.

Es ist unwahr­schein­lich, dass sie gera­de Pau­se macht. Ver­mut­lich haben mitt­ler­wei­le fünf wei­te­re Pati­en­ten geklin­gelt, sie hat einen Pati­en­ten in den Ope­ra­tions­saal gefah­ren und das Abend­essen muss­te aus­ge­teilt wer­den. Sie hat es ein­fach ver­ges­sen.
Beschwe­ren Sie sich also nicht bei der betref­fen­den Pfle­ge­kraft, beschwe­ren Sie sich bei den Men­schen, die fest­le­gen, wie viel Per­so­nal auf einer Sta­ti­on ein­ge­setzt wird. In den drei Jah­ren, in denen ich in vier Kran­ken­häu­sern auf 14 Sta­tio­nen und in einem Pfle­ge­dienst gear­bei­tet habe, hat­te ich bei genau drei Ein­sät­zen eine Pau­se.
Arbeits­pau­sen sind im Arbeits­zeit­ge­setz §4 wie folgt defi­niert: „Die Arbeit ist durch die im Vor­aus fest­ste­hen­den Ruhe­pau­sen von min­des­tens 30 Minu­ten bei einer Arbeits­zeit von mehr als sechs bis zu neun Stun­den und 45 Minu­ten bei einer Arbeits­zeit von mehr als neun Stun­den ins­ge­samt zu unter­bre­chen.

Die Ruhe­pau­sen kön­nen in Zeit­ab­schnit­te von jeweils min­des­tens 15 Minu­ten auf­ge­teilt wer­den. Län­ger als sechs Stun­den dür­fen Arbeit­neh­mer nicht ohne Ruhe­pau­sen beschäf­tigt wer­den.“ Ich wer­de von Pati­en­ten oft gefragt, ob es in der Kan­ti­ne das­sel­be Essen gäbe.
Ob ich jetzt in die Mit­tags­pau­se gehe. Ob es schlimm wäre, wenn sie mich im Nacht­dienst beim Schla­fen stör­ten. Ich kann nicht in die Kan­ti­ne gehen. Mei­ne „Pau­sen“ gestal­ten sich so, dass ich mich zum Frühstück/Abendessen hin­set­ze. Ich schnei­de eine Sem­mel auf, öff­ne die But­ter­pa­ckung und schmie­re die eine Hälf­te.

Es klin­gelt. Ich brin­ge einem Pati­en­ten die Bett­schüs­sel. Ich schmie­re das Brot fer­tig und bei­ße zwei­mal ab. Es klin­gelt wie­der.
Ich brin­ge einem geh­fä­hi­gen Pati­en­ten einen Krug Was­ser. Ich esse die eine Hälf­te fer­tig. Es klin­gelt. Ich hel­fe dem ers­ten Pati­en­ten von der Bett­schüs­sel und säu­be­re sein mit Stuhl­gang ver­schmier­tes Gesäß. Ich esse mein Brot fer­tig. Mei­ne Pau­se ist been­det.
Ich lese und höre oft Kom­men­ta­re von ver­schie­dens­ten Per­so­nen, „Schwes­tern“ wür­den die gan­ze Zeit nur Kaf­fee „sau­fen“ und Kuchen essen.
Ich fra­ge mich dann, in wel­chem Kran­ken­haus das sein soll. Ver­mut­lich ver­wech­seln die­se Men­schen unse­re Dienst­über­ga­ben, wäh­rend derer zuge­ge­be­ner­ma­ßen auf­grund des Schicht­diens­tes extrem viel Kaf­fee getrun­ken wird, mit Pau­sen. Über­ga­ben sind wich­tig, damit die nächs­te Schicht die Dia­gno­sen aller Pati­en­ten kennt und über Pfle­ge­pro­ble­me Bescheid weiß.

Wir arbei­ten in die­sen 20 Minu­ten genau­so, wie ande­re bei einem Mee­ting, für das sie zwei Stun­den an einem Tisch sit­zen. Von außen betrach­tet sieht auch eine Ihrer Bespre­chun­gen nicht son­der­lich pro­duk­tiv aus. Sehr sel­ten sit­zen wir tat­säch­lich auch mal eine drei­vier­tel Stun­de Kuchen essend da. Wenn es aus­nahms­wei­se extrem ruhig ist, ver­sucht man die Pau­sen der letz­ten Mona­te nach­zu­ho­len.
Gene­rell wer­de ich es aber nie für eine wirk­li­che Ruhe­pau­se nach dem Arbeits­zeit­ge­setz hal­ten, wenn ich die Sta­ti­on wäh­rend­des­sen nicht ver­las­sen darf, damit ich auf die Pati­en­ten­glo­cken reagie­ren kann. Möch­te ich tat­säch­lich ein­mal für fünf Minu­ten in die Umklei­de ver­schwin­den, um ein ver­dreck­tes Ober­teil zu wech­seln, muss ich hof­fen auf kei­nen Vor­ge­setz­ten zu tref­fen, vor dem ich mich dann recht­fer­ti­gen müss­te.

Dabei fän­de ich es anders­her­um inter­es­sant, ein­mal die Begrün­dun­gen der Geschäfts­lei­tung dafür zu hören, wes­halb regel­mä­ßig die gesetz­lich vor­ge­schrie­be­nen Ruhe­zei­ten zwi­schen zwei Diens­ten von elf Stun­den bezie­hungs­wei­se zehn Stun­den im Kran­ken­haus nicht ein­ge­hal­ten wer­den.
Bei einem der häu­fi­gen „Spät-Früh-Wech­sel“ bin ich bis 21.15 Uhr auf Sta­ti­on, ver­las­se das Haus nach dem Umzie­hen um ca. 21.30 Uhr und bin am nächs­ten Mor­gen spä­tes­tens um 5.45 Uhr wie­der in der Umklei­de.

Das macht eine Ruhe­zeit von 8 Stun­den und 15 Minu­ten, sowie abzüg­lich der Anfahrt usw. eine Schla­fens­zeit von ca. 5,5 Stun­den. Nach die­ser „Ruhe­zeit“ bin ich immer in einem der­ar­tig deso­la­tem Zustand, dass ich im Bad ver­ges­se, was ich tun woll­te und unter­wegs fast ein­schla­fe. Es heißt oft, dass Schlaf­man­gel ähn­li­che Aus­wir­kun­gen hat, wie Alko­hol­kon­sum, was ich bestä­ti­gen kann. In die­sem Zustand ver­ab­rei­che ich dann Ihren Ange­hö­ri­gen Medi­ka­men­te.

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