Was neh­me ich vom Pfle­ge­treff mit Herrn Lau­mann in Neuss am 14.04.2015 mit?
Gut gefal­len hat mir, dass durch die Muti­gen von „Pfle­ge am Boden“ die Ver­anstal­tung sehr berei­chert wur­de. Wir waren gewis­ser­ma­ßen das Salz in der Sup­pe und zugleich der Sta­chel im Flei­sche. Als sich noch wäh­rend des Vor­trags von Herrn Lau­mann Leu­te auf den Boden leg­ten, da war den Her­ren auf dem Podi­um das Befrem­den durch­aus anzu­mer­ken.
Beson­ders gefreut hat mich, dass durch den Ver­tre­ter der Lan­des­re­gie­rung unse­re 10 For­de­run­gen inhalt­lich sehr gelobt wur­den, wenn­gleich man mit dem Begriff und den Aktio­nen „Pfle­ge am Boden“ nicht bereit sei mit­zu­ge­hen. Aber wir hät­ten inhalt­lich recht! Die Fra­ge sei halt eine der Umset­zung.
Nun – die Argu­men­te von Herrn Lau­mann waren nicht neu. Er wie­der­hol­te, was alles auf den Weg gebracht wor­den sei, warn­te aber auch vor über­trie­be­nen Erwar­tun­gen und mach­te wie eini­ge der ande­ren Red­ner deut­lich, dass erst ein lan­ger Pro­zess begon­nen habe und man auf­pas­sen müs­se, dass alle mit­ge­nom­men wür­den. „Eins nach dem ande­ren!“
Lau­manns Punk­te:
1. Mehr Mög­lich­kei­ten im ambu­lan­ten Bereich für Pfle­ge­be­dürf­ti­ge, Leis­tun­gen im Rah­men des ers­ten Pfle­ge­stär­kungs­ge­set­zes, Pfle­ge- und Betreu­ungs­diens­te abzu­ru­fen, ins­be­son­de­re Tages­pfle­ge, etc.
Dies bedeu­te eine Erhö­hung um 20% des Leis­tungs­vo­lu­men und nie­mand – auch nicht Arbeit­ge­ber – wür­den dage­gen auf­be­geh­ren.
Fazit: Da geht also noch mehr!
2. Auf­he­bung der Pfle­ge­no­ten – längst über­fäl­lig. Bleibt die Fra­ge, wel­ches Mons­trum nun geschaf­fen wird.
3. Gene­ra­li­sier­te Pfle­ge­aus­bil­dung: Hier gab es Über­ein­stim­mung aller Dis­ku­tan­ten des Podi­ums. Wenn die Pfle­ge­bran­che an Bedeu­tung und Beach­tung gewin­nen will, liegt auch gera­de dar­in eine gro­ße Chan­ce.
4. Neu­er Pfle­ge­be­dürf­tig­keits­be­griff:
Abge­se­hen davon, dass nie­mand das in Aus­sicht ste­hen­de Instru­ment (NBA) wirk­lich zu ken­nen scheint und es dort durch­aus metho­do­lo­gi­sche Schwä­chen gibt, wird hier eine Hoff­nung geschürt, die wohl alle von Pfle­ge Betrof­fe­nen und vor allem die beruf­lich Pfle­gen­den schwer ent­täu­schen wird!
Denn mit dem Pfle­ge­be­dürf­tig­keits­be­griff soll zwar eine gerech­te­re und dif­fe­ren­zier­te­re Ein­schät­zung fol­gen, aber damit ist noch nicht eine ein­zi­ge zusätz­li­che Stel­le geschaf­fen, die die Pfle­ge­be­dürf­ti­gen ver­die­nen und die den Druck von den Pfle­gen­den nimmt.
Die Mehr­ein­nah­men durch die Erhö­hung des Pfle­ge­ver­si­che­rungs­bei­tra­ges ver­eb­ben mög­li­cher­wei­se in der Umset­zung die­ses neu­en Begut­ach­tungs­ver­fah­rens und am Ende kommt bei den Pfle­gen­den und den Pfle­ge­be­dürf­ti­gen gar nichts an.
Da wird jemand von Pfle­ge­stu­fe 3 dem­nächst in Pfle­ge­grad 4 oder 5 ver­or­tet, aber damit wird in sei­ner Ein­rich­tung nicht eine Pfleg­kraft mehr ein­ge­stellt.
5. Herr Lau­mann weist in die­sem Zusam­men­hang jeg­li­che Ver­ant­wor­tung von sich und sieht die Ver­ant­wort­lich­keit bei der Pfle­ge-Selbst­ver­ant­wor­tung auf Län­der­ebe­ne. Aber: Die Pfle­ge-Selbst­ver­wal­tung hat ver­sagt! Kon­sens bei allen Dis­ku­tan­ten!
Denn die Ver­ant­wort­li­chen für die Fest­le­gung der Rah­men­be­din­gun­gen (Per­so­nal­schlüs­sel, etc.) sind
1. Die Trä­ger­ver­bän­de (Wohl­fahrts­ver­bän­de, bpa, etc.; also die Ver­bän­de unse­rer Arbeit­ge­ber!)
2. Die Pfle­ge­kas­sen und
3. Die Sozi­al­hil­fe­trä­ger
Alle drei sind anschei­nend der Mei­nung, dass die seit den 90er-Jah­ren gel­ten­den Per­so­nal­schlüs­sel für eine men­schen­wür­di­ge Pfle­ge aus­rei­chend sei­en.
Bei genaue­rer Betrach­tung der jewei­li­gen Inter­es­sen und Zwän­ge der Betei­lig­ten wird schnell deut­lich, dass eine Ver­bes­se­rung der Per­so­nal­schlüs­sel ihnen neue Pro­ble­me berei­tet und sie kei­ner­lei Anrei­ze erhal­ten, hier nach­zu­bes­sern. Sie wis­sen eigent­lich, dass mit den Per­so­nal­zah­len eine men­schen­wür­di­ge Pfle­ge, die der Rah­men­ver­trag aber ver­spricht, gar nicht zu leis­ten ist, ver­har­ren aber in Untä­tig­keit und las­sen das Gan­ze die Pfle­ge­kräf­te an der Basis aus­ba­den. Und sie schau­en auch noch taten­los beim Ertrin­ken zu!

Genau an die­sem Punkt muss die Kri­tik umge­kehrt bei Herrn Lau­mann anset­zen:
Wenn es ein der­ar­ti­ges Miss­ver­hält­nis zwi­schen Pfle­ge­be­dar­fen und dem über die Per­so­nal­schlüs­sel gebun­de­nen Pfle­ge­mit­ar­bei­ter-Stel­len der sta­tio­nä­ren Ein­rich­tun­gen gibt, weil es für die Ver­ant­wort­li­chen in der Pfle­ge­selbst­ver­wal­tung kei­nen Anreiz zum Nach­bes­sern gibt, dann soll­te doch die Poli­tik (und hier Herr Grö­he und Herr Lau­mann) IHRE Ver­ant­wor­tung zei­gen.
Sie haben durch­aus gesetz­ge­be­ri­sche Mög­lich­kei­ten, die sie sich aber nicht trau­en anzu­wen­den, weil da schein­bar ganz ande­re Lob­by­is­ten und Bran­chen­ver­tre­ter ihren Ein­fluss gel­tend machen. Wenn also dort der Mecha­nis­mus gar nicht greift, den die Poli­tik und die Wäh­ler erwar­ten, dann muss doch die poli­ti­sche Legis­la­ti­ve hier ein­grei­fen und die Rah­men­be­din­gun­gen in Form einer ver­än­der­ten Gesetz­ge­bung kor­ri­gie­ren. Macht es sich das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um hier nicht zu leicht, indem es mit dem Fin­ger auf eine Selbst­ver­wal­tung zeigt, die gar nicht funk­tio­nie­ren KANN?

Ein­hel­li­ge Mei­nung aller im Saal war ja doch, dass schon die bis­he­ri­gen Per­so­nal­schlüs­sel unzu­rei­chend sind!
Nun gibt es da aber eine Schwie­rig­keit, die Herr Lau­mann nicht müde wird eben­falls zu beto­nen. Mehr Per­so­nal-Stel­len im sta­tio­nä­ren Pfleg­be­trieb bedeu­ten mehr Kos­ten. Min­des­tens 70 % der Heim­kos­ten sind Per­so­nal­kos­ten. Damit das (Mehr)Personal bezahlt wer­den kann, müs­sen die Pfle­ge­sät­ze stei­gen, die in NRW schon sehr hoch sind. Frag­lich ist, ob die­se Mehr­kos­ten allein den Betrof­fe­nen (Pfle­ge­be­dürf­ti­gen) auf­ge­bür­det wer­den kön­nen. Da sind wohl die Gren­zen durch­aus erreicht. Aller­dings müss­te auch mehr Trans­pa­renz dar­über bestehen, wie bestimm­te Heim­an­bie­ter ihre Inves­ti­ti­ons­kos­ten kal­ku­lie­ren!

Damit also das Mehr an Per­so­nal zukünf­tig finan­ziert wer­den kann, müss­te der Bei­trag der Pfle­ge­kas­sen eben­falls stei­gen. Und deren Aus­ga­ben sind ja nun per Gesetz fest­ge­legt. (1064,- € bzw. 1330, 1612, 1995)
Die wer­den also sowohl in der Selbst­ver­wal­tung als auch in kon­kre­ten Pfle­ge­satz­ver­hand­lun­gen sehr auf­pas­sen, dass die Pfle­ge­sät­ze nicht stei­gen.

Fazit: Die Regie­rung muss eigent­lich die Bei­trä­ge für den sta­tio­nä­ren Alten­pfle­ge­be­rich (noch ein­mal) erhö­hen.
Dar­über hin­aus gibt es durch­aus wei­te­re Mög­lich­kei­ten: Eine bun­des­ein­heit­li­che Heim­per­so­nal­ver­ord­nung, die nicht nur eine Fach­kraft­quo­te und die Heim­leit­er­eig­nung, etc. regelt, son­dern dar­über hin­aus, Min­dest­be­set­zungs­quo­ten fest­legt, ist durch­aus einer von vie­len Hebeln der poli­ti­schen Macht, deren sich eine Regie­rung bedie­nen darf. Aber immer noch infi­ziert vom neo­li­be­ra­len Geist, dass näm­lich der Staat nicht alles len­ken soll, fehlt hier der Mut. Aber wozu gehe ich dann noch zur Wahl?
Und schein­bar ist noch nie­man­dem auf­ge­fal­len, dass die Per­so­nal­schlüs­sel der 87b-Kräf­te inter­es­san­ter­wei­se im SGB XI, also in einem Bun­des­ge­setz, gere­gelt sind. War­um soll das nicht für die Pfle­ge mög­lich ein? War­um hat ein Heim in Bran­den­burg mit 80 Bewoh­nern 27,1 Voll­zeit­stel­len in der Pfle­ge und NRW bei dem sel­ben Pfle­ge­stu­fen­mix 31,1?
Die Zuhö­rer konn­ten den Aus­füh­run­gen wei­test­ge­hend fol­gen und nah­men ins­be­son­de­re Herrn Lau­mann sein ehr­li­ches Enga­ge­ment durch­aus ab. Den­noch bleibt ein Pro­blem, das Herr Lau­mann im Gegen­satz zu Herrn Wes­ter­fell­haus nicht wahr haben will, was aber für das Erle­ben vie­ler Pfle­gen­der die Rea­li­tät dar­stellt, sicher sehr und lei­der ein Lei­tungs­pro­blem der Hei­me dar­stellt, aber auch bei den gut geführ­ten Hei­men zuneh­mend zum Pro­blem wird. Das Pro­blem hat zwei Gesich­ter: Berufs­flucht und Miss­ma­nage­ment.
Zuneh­mend weh­ren sich Pfle­ge­kräf­te gegen die Fol­gen des Miss­ma­nage­ments vie­ler Hei­me, indem sie sich bei ande­ren Anbie­tern bewer­ben. (Emp­feh­lung von Herrn Wall­ra­fen-Drei­sow!) Aber genau die­sel­ben Mit­ar­bei­ter mer­ken auch, dass auch gut geführ­te Hei­me der­art am Limit arbei­ten, dass die beruf­lich Pfle­gen­den seit eini­gen Jah­ren eine Stra­te­gie wäh­len, die nie­mand gut hei­ßen kann: Sie flüch­ten aus dem Beruf. Sie been­den nicht ihre Aus­bil­dung, wer­den krank und/oder früh­be­ren­tet, bewer­ben sich in einer ande­ren Bran­che, redu­zie­ren frei­wil­lig ihren Stel­len­an­teil oder gehen ins Aus­land.
Herr Lau­mann sagt: Selbst wenn er mehr Per­so­nal­stel­len qua­si per Gesetz ver­ord­nen wür­de (mal abge­se­hen von den Fra­gen der Finan­zie­rung), so hät­te er gar nicht das erfor­der­li­che Per­so­nal dafür. Und genau hier irrt er grund­le­gend!

Wir kön­nen und müs­sen den Beruf dadurch attrak­tiv machen, dass die Bereit­schaft im Beruf (mit einem erhöh­ten Stel­len­an­teil bis hin zur Voll­zeit) zu blei­ben und die Bereit­schaft in den Beruf zu gehen oder zurück­zu­keh­ren, wie­der steigt! Davon müs­sen wir Herrn Lau­mann noch über­zeu­gen, dann soll­te sich wirk­lich etwas bewe­gen.
Und genau das neh­me ich vor allem aus Neuss mit:
– Wir müs­sen die Ver­ant­wort­li­chen und in aller ers­ter Linie die Poli­tik, unse­re Abge­ord­ne­ten, davon über­zeu­gen (auf­klä­ren), dass die Kata­stro­phe nicht zu ver­hin­dern ist, wenn nicht eine (Re)Finanzierung von mehr Per­so­nal-Stel­len poli­tisch umge­setzt wird.
– Wir müs­sen gemein­sam mit uns­re­ren Lei­tun­gen ler­nen, den Druck nach oben zurück zu geben! Instru­men­te dazu sind vor­han­den. (z.B.: Über­las­tungs­an­zei­gen, Uner­reich­bar­keit im Frei, Teil­nah­me an Smart­mobs, Kün­di­gung der Rah­men-Ver­trä­ge – jede Hier­ar­chie­ebe­ne hat Mög­lich­kei­ten; sie muss sie auch nut­zen!)
– Wir müs­sen genau da wei­ter machen und über­zeu­gen, dass es nicht nur Miss­ma­nage­ment ist. Zücken wir die Taschen­rech­ner und rech­nen es Ihnen vor. Legen wir uns wei­ter auf den Boden und blei­ben der Sta­chel im Auge der Ver­ant­wort­li­chen.

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