Nach der Schu­le ent­schied ich mich für eine Aus­bil­dung im sozia­len Bereich. Ich war schon immer sozi­al enga­giert, woll­te mit Men­schen arbei­ten und ihnen hel­fen.

Mit vol­ler Vor­freu­de begann ich also eine drei jäh­ri­ge Aus­bil­dung zur Gesund­heit- und Kin­der­kran­ken­pfle­ge­rin, in der  Umgangs­spra­che als Kin­der­kran­ken­schwers­ter bekannt. Ich lie­be mei­nen Beruf, mit all sei­nen Facet­ten. Er ist nicht nur Beruf, es ist Beru­fung.

Den­noch macht mir die feh­len­de Aner­ken­nung in der Gesell­schaft, auch nach drei Jah­ren Berufs­le­ben, immer noch zu schaf­fen. Die Aus­sa­gen mit denen ich kon­fron­tiert wer­de bewe­gen sich zwi­schen naiv, bis hin zu unver­schämt und degra­die­rend. Nein! Ich put­ze nicht nur irgend­wel­che Hin­tern ab, trin­ke nicht den gan­zen Tag Kaf­fee oder gebe süßen, klei­nen Babys die Fla­sche. Und auch der Arzt ist nicht mein Vor­ge­setz­ter. Wir sind ein eige­ner Berufs­stand, in dem die Pfle­ge­dienst­lei­tung, bezie­hungs­wei­se die Ober­schwes­ter – die obers­te Instanz ist.

Die Pati­en­ten, vor allem die Ange­hö­ri­gen, wer­den, so kommt es mir vor, immer unan­ge­neh­mer. Die For­de­run­gen und Erwar­tun­gen sind enorm hoch – die Dank­bar­keit dafür gering, Anse­hen und Respekt sind eigent­lich kaum mehr vor­han­den. Es wird immer wie­der gedroht und geklagt. Dr. Goog­le und die Selbst­dia­gno­se zu Hau­se, machen es mög­lich. Wer braucht da noch Fach­per­so­nal, wenn man es sel­ber durch das Inter­net ohne­hin schon bes­ser weiß?

Den­noch – wir geben jeden Tag unser bes­tes und ver­su­chen jedem Pati­en­ten gerecht zu wer­den. Jeder Wunsch wird nach Mög­lich­keit erfüllt. Ein Kran­ken­haus bleibt aber eben doch ein Kran­ken­haus und ist kein Hotel. Es wird nach Dring­lich­keit behan­delt. Geduld ist Man­gel­wa­re.

Wir ver­zich­ten auf viel – zum Woh­le der Pati­en­ten

Mein All­tag ist stres­sig und anstren­gend. Die psy­chi­schen und phy­si­schen Belas­tun­gen sind enorm. Wir ste­hen unter Zeit­druck, sind unter­be­setzt und unter­be­zahlt. Im Schnitt küm­me­re ich mich, bei vol­ler Beset­zung, vier Schwes­tern die am Pati­en­ten arbei­ten und eine, die die Sta­ti­on macht, Visi­te und admi­nis­tra­ti­ve Arbei­ten, um vier bis fünf Pati­en­ten, in der Nacht um zwölf, oder mehr. Da liegt es auf der Hand, dass vie­les zu kurz kommt oder schlicht­weg ein­fach mal die Zeit fehlt. Umso schlim­mer trifft es uns, wenn jemand krank­heits­be­dingt aus­fällt. Ersatz kann nicht immer gefun­den wer­den, da bei 21 Schwes­tern, gefühlt, sowie­so schon jeder rund um die Uhr da ist. Rück­sicht wird trotz­dem kei­ne genom­men. Die Sta­ti­on muss lau­fen, egal wie der Pfle­ge­schlüs­sel aus­sieht.

Auf mei­ner Sta­ti­on arbei­te ich vor allem mit kar­dio­lo­gi­schen und pul­mo­lo­gi­schen Pati­en­ten, im Alter von 0 bis 18 Jah­ren. Die Krank­heits­bil­der sind sehr kom­plex und erfor­dern viel Fach­wis­sen und prak­ti­sches Kön­nen. Vie­le die­ser Pati­en­ten sind über Wochen und Mona­te, manch­mal auch bis in den Tod bei uns. Wahr­schein­lich ist das auch die größ­te Her­aus­for­de­rung unse­res Beru­fes: Der Tod. Er ist unser Gegen­spie­ler. Er ist unfair. Ein Kind und des­sen Fami­lie dort­hin zu beglei­ten, ist eine emo­tio­na­le Ach­ter­bahn. Wir trau­ern mit, still und lei­se. Das ist kei­ne 08/15 Tätig­keit, das ist wahr­schein­lich nichts, das jeder kann. Es gehört viel Stär­ke dazu, um sel­ber nicht ein­zu­bre­chen, um die Wut und die ewi­ge Fra­ge nach einem“ war­um“ nicht über­mäch­tig wer­den zu las­sen. Die schmerz­haf­te Erkennt­nis, dass man nicht jedem hel­fen kann, dass man eigent­lich macht­los ist, gehört zu unse­rem All­tag. Und den­noch gelingt es uns nicht immer. Der letz­te Som­mer war kein guter für unse­re Sta­ti­on. Es ver­star­ben drei Pati­en­ten in kur­zen Zeit­ab­stän­den. Beson­ders bei dem letz­ten Pati­ent, ein Säug­ling, war die Betreu­ung für uns sel­ber sehr schmerz­haft. Die­ses Kind der­ar­tig lei­den zu sehen und kei­ne Mög­lich­keit zu haben, die­sem klei­nen Wesen zu hel­fen, war unend­lich grau­sam. Eigent­lich war es schlicht und ergrei­fend zum Wei­nen. Ich betreu­te die­ses Kind vier Näch­te lang und ja, mir stie­gen jedes Mal die Trä­nen in die Augen, wenn ich das Zim­mer betrat. Wie die­ses Kind in sei­nem Bett­chen lag und mich schmerz­ver­zerrt anschau­te, aber nicht ein­mal mehr eine Berüh­rung tole­rier­te. Es lag im Ster­ben und ich konn­te nur neben dem Bett ste­hen, damit es nicht allei­ne ist. Die Sta­ti­on war zu die­sem Zeit­punkt gut belegt, eigent­lich hät­te ich gar kei­ne Zeit gehabt, an die­sem Bett zu ste­hen und ein­fach nur da zu sein. Drei Tage spä­ter ist das Kind ver­stor­ben. Eini­ge waren auf der Beer­di­gung.

Es geht uns nahe, weil wir eben nicht ein­fach nur Kin­der­kran­ken­schwes­tern sind. Wir sind Bezugs­per­so­nen, Freun­de, Ersatz­müt­ter und Ersatz­fa­mi­lie – und das 24 Stun­den lang, an 365 Tagen im Jahr. Wir ken­nen kei­ne Wochen­en­den, kei­ne Fei­er­ta­ge und an Fami­li­en­fes­ten kön­nen wir oft nicht teil­neh­men, weil wir uns um ande­re Men­schen küm­mern.

Aka­de­mi­sie­rung des Pfle­ge­be­ru­fes ist kei­ne Lösung

Es geht mir hier nicht um einen Rund­um­schlag oder Jam­mern, schließ­lich habe ich mir die­sen und zwar ganz spe­zi­ell – die­sen Beruf aus­ge­sucht. Aber ich wün­sche mir, dass die­se Arbeit auch gese­hen und respek­tiert wird. Ich wün­sche mir ein wenig Dank­bar­keit für die Arbeit, die wir leis­ten und die Opfer die wir pri­vat brin­gen.

Denn mein Berufs­tand leis­tet Gro­ßes. Wir sind das Fun­da­ment auf das die Medi­zi­ner auf­bau­en, denn wir sind nahe am Pati­en­ten. Wir sind defi­ni­tiv kei­ne Hilfs­ar­bei­ter eines Arz­tes oder dazu da, uns  von Ange­hö­ri­gen oder Pati­en­ten sagen zu las­sen, wie wir unse­ren Beruf rich­tig aus­zu­füh­ren haben. Wir sind dazu da, um den Kin­dern zu hel­fen, ihr Leid zu lin­dern, egal in wel­cher Form und in wel­chem Aus­maß die­ses besteht.

Aktu­ell soll aus der Aus­bil­dung ein­fach ein Stu­di­um gemacht wer­den. Durch den aka­de­mi­schen Grad soll somit ein höhe­res Anse­hen erzeugt wer­den und sich die Pro­ble­ma­tik von allei­ne regeln.

Aller­dings ist die all­ge­mei­ne Mei­nung, jeder kön­ne einen Pfle­ge­be­ruf aus­üben schlicht­weg zu  kurz gedacht. Dass Arbeits­lo­se ein­fach so umge­schult wer­den könn­ten, um einem Pfle­ge­not­stand ent­ge­gen­zu­wir­ken ist kein för­der­li­cher Ansatz und zer­stört den letz­ten Rest an Aner­ken­nung. Hoff­nung, dass sich die Situa­ti­on irgend­wann in eine posi­ti­ve Rich­tung ändert, habe ich den­noch.

Zum Schluss, muss natür­lich gesagt wer­den, dass es auch äußerst dank­ba­re Pati­en­ten und Ange­hö­ri­ge gibt. Und genau die­se, machen mei­nen Beruf zu mei­nem Traum­be­ruf.

http://www.alpenfeuilleton.at

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