So füh­le ich mich oft. Die­ses Gefühl gibt mir die Gesell­schaft. Die heu­ti­ge Gesell­schaft. Jeder der in der Pfle­ge arbei­tet wird das fol­gen­de viel­leicht etwas nach­voll­zie­hen kön­nen.

Damals muss­te ich auf Plan B zurück grei­fen. Die Aus­bil­dung zur Gesund­heits- und Kran­ken­pfle­ge­rin. Das was ich nie wer­den woll­te, zumin­dest habe ich mir das damals nach mei­nem Prak­ti­kum immer gesagt. Aber nun gut. Der Beruf ist an sich ist ein schö­ner Beruf.

Jetzt sind wir doch mal ehr­lich. Was für ein Bild habt ihr von einer Kran­ken­schwes­ter? Was haben eure Groß­el­tern für ein Bild von einer Kran­ken­schwes­ter? Was habt ihr für ein Bild von Pfle­ge? Ich bin mit fol­gen­den Vor­stel­lun­gen in die­sen Beruf gegan­gen:

- Für­sorg­lich mit Men­schen umge­hen

- Men­schen in schwe­ren Situa­tio­nen lie­be­voll und bera­tend zur Sei­te ste­hen

- Kran­ke Men­schen so ver­sor­gen, dass es ihnen danach bes­ser geht

- Aner­ken­nung für das bekom­men, was ich für die­se Men­schen mache und das in Form eines Lächeln oder dem Wort “Dan­ke”

- mit ande­ren Berufs­grup­pen (Phy­sio­the­ra­peu­ten, Ärz­ten etc.) so effek­tiv zusam­men zuar­bei­ten, dass das End­pro­dukt ein zufrie­de­ner Pati­ent ist

- den Men­schen als Men­schen zu sehen und nicht als einen “Kun­den”

Lei­der muss­te ich fest­stel­len, dass ich von die­sen Punk­ten nicht viel rea­li­sie­ren konn­te / kann. Nach mei­ner 3 Jäh­ri­gen Aus­bil­dung ver­brach­te ich ein Jahr auf einer inter­nis­ti­schen Sta­ti­on. Hier wur­den mir der Zahn direkt gezo­gen. Vie­le Pati­en­ten auf die­ser Sta­ti­on waren pfle­ge­be­dürf­tig. ICH habe mir zum Vor­satz gemacht “Ich ver­sor­ge die Men­schen so, wie ich mich auch ver­sorgt wün­sche!” Hät­te ich die Zeit, dann könn­te ich die­sen Vor­satz auch ver­wirk­li­chen. Geht aber nicht immer. Lei­der sieht unse­re Poli­tik vor allem vor, dass ich die meis­te Zeit in mei­nem Job damit zu ver­brin­gen habe, alles und jede Tat­sa­che zu doku­men­tie­ren. Alles muss prä­zi­se auf­ge­schrie­ben wer­den. Ob es der Pfle­ge­auf­wand bei Pati­ent A ist oder ob es die Tablet­te-gabe bei Pati­ent B ist. Was ich nicht auf­ge­schrie­ben habe, habe ich auch nicht getan. Vom Pfle­ge­not­stand will ich gar nicht erst spre­chen.

Nach einem Jahr habe ich die Sta­ti­on gewech­selt. Nein , das geht nicht ein­fach so. Ich muss­te einen Antrag dafür stel­len um ver­setzt zu wer­den. Mit Ach und Krach wur­de er bewil­ligt. Ich bin in ein wun­der­ba­res Team gewech­selt. In die Unfall­chir­ur­gie / Ortho­pä­die. Die­ses Team ist der ein­zi­ge Grund war­um ich da bin. Hast du tol­le Kol­le­gen, dann lässt es sich alles bes­ser ertra­gen. Ja so ist es. Ich hof­fe ich tre­te nie­man­dem damit auf den Schlips was ich hier noch alles los­wer­den. Aber eini­gen soll­te man mal die Augen öff­nen, was in einem Betrieb Kran­ken­haus wirk­lich abgeht.

Ich weiß nicht, wo ich hier anfan­gen , wei­ter­schrei­ben , enden soll. Viel­leicht soll­te ich das Wort erst ein­mal direkt an die Pati­en­ten von heu­te wen­den? Ich neh­me jeden Pati­en­ten ernst. Jedes Weh­weh­chen neh­me ich zunächst ernst und wahr. Aber sobald ich mich von denen selbst nicht ernst genom­men füh­le, kränkt mich das. Sät­ze wie “ja wer­den sie erst­mal so alt wie ich” , “Ja Mäd­chen, holen sie den Arzt, von ihnen las­se ich mir nichts sagen” , ”DAFÜR WERDEN SIE SCHLIEß­LICH BEZAHLT” höre, da platzt mir die Hut­schnur. Wofür betü­de­le ich jeman­den, der mich nicht ernst nimmt? Der mich NUR als Dienst­leis­ter sieht? Ich bin immer freund­lich, selbst wenn ich schon einen hoch­ro­ten Kopf habe, weil ich seit 6 Stun­den nach dem Auf­ste­hen noch immer nichts geges­sen oder getrun­ken habe, aufs Klo muss, aber nicht kann und ich 10 Sachen im Kopf habe , die ich bin zu einer bestimm­ten Uhr­zeit noch zu erle­di­gen habe, im Zim­mer 17 noch immer jemand am Wasch­be­cken auf mich war­tet, ich mir anhö­ren muss, dass ich nur die Schü­ler rein schi­cken, weil ich mir selbst dafür zu scha­de sei, Ja genau dann bin ich immer noch freund­lich. Das muss ich ja auch sein. Das erwar­tet man von einer Kran­ken­schwes­ter. Einer für­sorg­li­chen , lie­be­vol­len Kran­ken­schwes­ter. Die Kran­ken­schwes­ter die schön ohne Wie­der­wor­te das aus­führt, was man ihr auf­trägt. Mit einem Lächeln im Gesicht. Selbst wenn ich mei­ne ver­dien­te Pau­se denn mal machen könn­te, wer­de ich von Ange­hö­ri­gen gestört, weil sie etwas wis­sen wol­len, sau­er sind dass immer noch nie­mand mit ihnen gespro­chen hat. Das kann ich auch ver­ste­hen, aller­dings füh­le ich mich so oft unver­stan­den. Man wird schief ange­schaut, wenn man in der Küche steht und einen Schluck aus sei­ner Was­ser­fla­sche nimmt, weil man ja eh nur Kaf­fee trinkt und rum­sitzt.

Was für eine Vor­stel­lung hat der Pati­ent von heu­te von einem Kran­ken­haus­auf­ent­halt? In ers­ter Linie soll­te es doch dar­um gehen, gesund zu wer­den. Nein nein nein. Heut zu Tage nicht mehr. Die Leu­te schau­en dich belei­digt an, wenn du sie in ein 3 Bett Zim­mer legst, du wirst für das mie­se Essen an geme­ckert, das Bett sei viel zu unge­müt­lich, der Arzt ist ja nie da, das Bade­zim­mer viel zu eng, der Fern­se­her funk­tio­niert nicht, die Hand­tü­cher wer­den auf den Boden gewor­fen “die Hand­tü­cher habe ich ihnen auf den Boden gelegt”. Sind wir ein Hotel? NEIN NEIN NEIN VERDAMMT. Ich bin weder Köchin, noch Hand­wer­ker noch habe ich die­se Zim­mer gestal­tet und die Bet­ten gekauft. Aber ICH bin die­je­ni­ge die sich Tag für Tag die­ses Genör­gel anhö­ren muss. Dabei will ich mich doch bei jedem auf das Wesent­li­che kon­zen­trie­ren kön­nen. Ich will Men­schen von ihren Schmer­zen befrei­en, ihnen Ängs­te neh­men im Bezug auf ihre Krank­heit. ICH WILL PFLEGEN. Ich habe kei­ne 3 Jah­re dafür gelernt um ihnen den Kaf­fee zu brin­gen, mir von ihnen anhö­ren zu müs­sen wie schlecht das hier doch alles sei.

An alle Ange­hö­ri­ge die ihre Liebs­ten im Kran­ken­haus besu­chen: Bit­te hören sie auf uns wegen jedem Furz mit dem Anwalt zu dro­hen. Es scheint wirk­lich in Mode zu sein Kran­ken­häu­ser und Per­so­nal zu ver­kla­gen. Wenn sie sich bit­te vor­her mit der momen­ta­nen Gesund­heits­po­li­tik beschäf­ti­gen wür­den, dann hät­ten sie für vie­les viel­leicht etwas mehr Ver­ständ­nis. Und bit­te ler­nen sie, sich an rich­ti­ger Stel­le zu beschwe­ren. Ich kann nichts dafür, dass ihr Vater zum zwei­ten mal nicht ope­riert wird, weil unse­re OP-Koor­di­na­to­ren viel zu vie­le OPs für die­sen Tag geplant haben, die wirk­lich nie­mand an einem Tag alle ope­rie­ren kann, selbst wenn er wol­len wür­de. Eben­falls kann ich nichts dafür, dass das Bade­zim­mer schmut­zig ist. Ich habe es nicht benutzt, geschwei­ge denn ist es nicht mei­ne Auf­ga­be es zu putzen.Und bit­te bit­te bit­te ler­nen sie end­lich, dass ich ihnen am Tele­fon kei­ner­lei Aus­kunft über den Gesund­heits­zu­stand ihrer Mut­ter geben DARF. Daten­schutz. Dafür müs­sen sie mich am Tele­fon nicht anschrei­en, des­we­gen bin ich auch nicht unver­schämt und unfä­hig. Ich kann auch nicht zau­bern. Wenn sie genau JETZT etwas von mir wol­len, gehen sie bit­te davon aus, dass auch 3 ande­re Men­schen genau JETZT gera­de etwas von mir wol­len. Ich setz­te Prio­ri­tä­ten. Mich als fre­ches Gör zu bezeich­nen, weil ich ihrem Vater nicht genau in die­sem Moment sei­nen Kaf­fee brin­ge, da ich wie gesagt Prio­ri­tä­ten set­zen MUSS und des­we­gen lie­ber erst dem Pati­en­ten B sein offe­nes Bein ver­bin­den möch­te (Infek­ti­ons­ge­fahr) , bin ich weder frech noch faul. Und ja natür­lich sind die Her­ren und Damen im wei­ßen Kit­tel mit dem Dr. Titel viel höher ange­se­hen. Das kann ich auch ver­ste­hen, sie haben immer­hin ein ham­mer­har­tes Stu­di­um hin­ter sich . Aber mei­nen sie, des­we­gen bin ich in mei­nem Beruf inkom­pe­tent und wüss­te nicht, was ich ihnen da erzäh­le? Bit­te stel­len sie nicht per­ma­nent mei­ne Kom­pe­ten­zen in Fra­ge.

Ich bin hier wirk­lich viel am nör­geln gera­de. Und ja, ich bin damit momen­tan voll­kom­men unzu­frie­den. Ich könn­te unun­ter­bro­chen wei­ter­schrei­ben und sagen was mich stört. Ich könn­te auch ein­fach den Beruf wech­seln. Mit mei­nen 26 Jah­ren bin ich ja auch noch nicht zu alt dafür. Aber war­um soll­te ich einen Beruf auf­ge­ben, der ursprüng­lich ein schö­ner und sozia­ler Beruf ist? War­um soll ich einen Beruf auf­ge­ben, in dem ich eigent­lich wirk­lich ÜBERALL eine Anstel­lung fin­de? Ich den­ke nicht, dass ich mir in den nächs­ten 20 Jah­ren Gedan­ken dar­über machen muss, Angst haben muss, dass ich Arbeits­los wer­den könn­te? Wer­de ich nicht. Ich habe ja immer noch die nai­ve Hoff­nung, dass sich irgend­wann alles ändern wird. Ich nörg­le ja noch nicht mal über mein Gehalt. Damit kom­me ich voll­kom­men super zurecht. Ich bin damit zufrie­den. Ich will ein­fach nur, dass es sich für mich gelohnt hat 3 Jah­re mei­nes Lebens mit der Aus­bil­dung ver­bracht zu haben und dass ich mein Wis­sen auch anwen­den kann. Ich wün­sche mir , dass ich zur Arbeit kom­me und mir nicht mor­gens im Bett schon den Dienst aus­ma­len muss. Aus­ma­len muss, ob ich zeit­lich auch alles schaf­fe. Ich wün­sche mir, dass einer der obe­ren Her­ren mal eine Woche bei uns mit­ar­bei­tet um zu sehen, was wirk­lich bei uns pas­siert. Ich wün­sche mir ein­fach nur, dass sich was ändert.

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