Ich möchte mich kurz vorstellen. Ich bin männlich, 47 Jahre alt und lebe in Bayern.
Ich bin examinierter Krankenpflegehelfer, examinierter Krankenpfleger und war in den letzten 11 Jahren als Pflegedienstleitung in 3 verschiedenen Einrichtungen der Altenpflege tätig.
Ich steige nun aus meinem bisherigen Tätigkeitsfeld aus. Im folgenden erläutere ich die Gründe für meine Entscheidung:
1.
In der Zeit in der ich meinen Beruf erlernt habe, hatte der Begriff „Pflege“ einen anderen Stellenwert als heute. Die Grundidee warum ich Krankenpfleger geworden bin, sind für mich nicht mehr existent.
2.
Ich bin am Ende einer Karriereleiter angekommen, die für mich ins „Nichts“ führt. Alle Ziele die man sich steckt, sind nicht erreichbar.
3.
Nicht nur, dass man Ziele nicht erreicht, man ist oft gezwungen „unethische“ Entscheidungen zu treffen. Als Pflegedienstleitung ist man gezwungen, Menschen zu führen und anzuleiten die andere Menschen pflegen sollen, obwohl diese Menschen aufgrund ihres Alters nicht mehr pflegen können oder aufgrund von Motivationsmangel andere Menschen nicht pflegen wollen.
4.
Viele zu pflegende Menschen wollen nicht so gepflegt werden, wie wir das tun. In vielen Gesprächen mit zu pflegenden Menschen wurde ich gebeten, das ich sie doch sterben lassen sollte. Sie flehten um mehr Aufmerksamkeit für deren Lebenssituation, waren verwirrt und wussten gar nicht mehr wo sie sich eigentlich aufhielten. Ich konnte diesen Menschen nicht helfen. Weder wollte und konnte ich sie nicht sterben lassen, noch konnte ich ihnen ein für sie lebenswertes Leben ermöglichen.
5.
Wenn man heutzutage jemand auf Nachfrage erzählt „ich bin Pflegedienstleitung in einem Altenheim“ wird man entweder mitleidig oder überrascht angesehen. Warum? Weil das ganze Thema „Pflege von alten Menschen“ im Focus steht. Leider nicht positiv. Die Gesellschaft sieht dieses Thema sehr negativ. Zu Recht. Ich denke aber, das sich diese Gesellschaft an die eigene Nase fassen sollte, denn genau DIESE Gesellschaft lässt die Probleme zu in dem dieses Thema unangenehm unter den Teppich gekehrt wird.
6.
Träger und Führungskräfte in Pflegeeinrichtungen versuchen die Problematik wie einen kochenden Wassertopf zu behandeln. Sie halten den Deckel darauf. Hauptsache, „es läuft“.
7.
Die Politik ist von Lobbyarbeit bestimmt. Jeder will etwas vom Steuer- und Versicherungskuchen abknabbern. Der Bereich Pflege interessiert Menschen nur wenn es Kinder, Schwangere und noch weitere Gruppen betrifft, die sicherlich bedürftig aber näher in der Gesellschaft stehend sind. Alte Menschen sind nicht in dieser Gruppe. Es gibt also keine (funktionierende) Lobby für alte Menschen. Demensprechend sind politische Bemühungen die Situation zu verbessern.
8.
Pflegewissenschaftler. Meine Lieblinge. Es wurden „Expertenstandards“ geschaffen. Ziel. Verbesserung bei Brennpunktethemen von mangelhafter Pflege. Beispielsweise wurde ein Standard „Förderung von Kontinenz“ geschaffen. Dieser Standard ist national gültig, muss in jedem Pflegeheim umgesetzt werden. In diesem Standard wird unter anderem ernsthaft die Anleitung und assistive Durchführung täglicher Beckenbodengymnastik empfohlen um bestimmte Arten von Inkontinenz zu verhindern oder Kontinenz zu fördern. Die Originalausgaben dieser „sogenannten“ Expertenstandards sind wissenschaftlich erarbeitet. Für mich sind sie jedoch unwissenschaftlich, behandeln sie doch nur Lösungsmöglichkeit aber nicht die Umsetzung. Würde die Umsetzung dieser Standards geprüft werden, würde man sehr schnell feststellen, dass wir lügen. Ich will nicht mehr lügen.
9.
Gesetze. Menschen dürfen hinfallen, stürzen. Menschen dürfen an Gewicht verlieren, nichts mehr zu sich nehmen. Bedingt. Alte Menschen dürfen es, aber Pflegekräfte und deren Leitung müssen für derartige Entscheidungen Rede und Antwort stehen, man wird immer wieder wie ein Verbrecher angesehen. Bei dieser Beantwortung fühle ich mich immer wie ein Verbrecher.
10. (FAZIT)
Ich habe mit vielen Menschen in der Altenpflege zusammengearbeitet. Es gibt wunderbare Menschen da draußen, die nicht müde werden dieses System am Laufen zu halten. Ihnen gebührt mein Respekt und ich wundere mich oft, woher diese Menschen Kraft und Motivation für diesen Job bekommen. Es gibt aber auch unsere Gesellschaft, die dieses Thema größtenteils ignoriert. Dadurch gibt es auch Politik, Gesetze, Verordnungen, Wissenschaft und den sich dadurch resultierenden Umgang mit dem Thema „wie gehen wir mit alten Menschen um“.
Als Mensch bin ich nicht mehr bereit, Teil dieses Systems zu sein. Ich werde mich für diese Entscheidung nicht selber auf die Schultern klopfen, werde ich wohl künftig als Küchenhilfe arbeiten. Aber diese Entscheidung lässt mich wieder in den Spiegel sehen. Ich denke das wir uns in diesem Land richtig gut um Menschen kümmern, die produktiv sind oder es noch werden. Um diejenigen, die nicht produktiv sind ist das nicht der Fall. Wir sind kalt geworden. In Italien gibt es viel weniger Altenheime als in Deutschland. Warum? Weil es „Schande“ ist, die alten in das Tal der fremden Pflege zu schicken.
Für meinen Beruf habe ich zuerst meinen Körper und dann auch meine Psyche zerstört. Ich denke nun, es ist genug denn ich habe nicht mehr zu geben.
Ich möchte mich kurz vorstellen. Ich bin männlich, 47 Jahre alt und lebe in Bayern.
Ich bin examinierter Krankenpflegehelfer, examinierter Krankenpfleger und war in den letzten 11 Jahren als Pflegedienstleitung in 3 verschiedenen Einrichtungen der Altenpflege tätig.
Ich steige nun aus meinem bisherigen Tätigkeitsfeld aus. Im folgenden erläutere ich die Gründe für meine Entscheidung:
1.
In der Zeit in der ich meinen Beruf erlernt habe, hatte der Begriff „Pflege“ einen anderen Stellenwert als heute. Die Grundidee warum ich Krankenpfleger geworden bin, sind für mich nicht mehr existent.
2.
Ich bin am Ende einer Karriereleiter angekommen, die für mich ins „Nichts“ führt. Alle Ziele die man sich steckt, sind nicht erreichbar.
3.
Nicht nur, dass man Ziele nicht erreicht, man ist oft gezwungen „unethische“ Entscheidungen zu treffen. Als Pflegedienstleitung ist man gezwungen, Menschen zu führen und anzuleiten die andere Menschen pflegen sollen, obwohl diese Menschen aufgrund ihres Alters nicht mehr pflegen können oder aufgrund von Motivationsmangel andere Menschen nicht pflegen wollen.
4.
Viele zu pflegende Menschen wollen nicht so gepflegt werden, wie wir das tun. In vielen Gesprächen mit zu pflegenden Menschen wurde ich gebeten, das ich sie doch sterben lassen sollte. Sie flehten um mehr Aufmerksamkeit für deren Lebenssituation, waren verwirrt und wussten gar nicht mehr wo sie sich eigentlich aufhielten. Ich konnte diesen Menschen nicht helfen. Weder wollte und konnte ich sie nicht sterben lassen, noch konnte ich ihnen ein für sie lebenswertes Leben ermöglichen.
5.
Wenn man heutzutage jemand auf Nachfrage erzählt „ich bin Pflegedienstleitung in einem Altenheim“ wird man entweder mitleidig oder überrascht angesehen. Warum? Weil das ganze Thema „Pflege von alten Menschen“ im Focus steht. Leider nicht positiv. Die Gesellschaft sieht dieses Thema sehr negativ. Zu Recht. Ich denke aber, das sich diese Gesellschaft an die eigene Nase fassen sollte, denn genau DIESE Gesellschaft lässt die Probleme zu in dem dieses Thema unangenehm unter den Teppich gekehrt wird.
6.
Träger und Führungskräfte in Pflegeeinrichtungen versuchen die Problematik wie einen kochenden Wassertopf zu behandeln. Sie halten den Deckel darauf. Hauptsache, „es läuft“.
7.
Die Politik ist von Lobbyarbeit bestimmt. Jeder will etwas vom Steuer- und Versicherungskuchen abknabbern. Der Bereich Pflege interessiert Menschen nur wenn es Kinder, Schwangere und noch weitere Gruppen betrifft, die sicherlich bedürftig aber näher in der Gesellschaft stehend sind. Alte Menschen sind nicht in dieser Gruppe. Es gibt also keine (funktionierende) Lobby für alte Menschen. Demensprechend sind politische Bemühungen die Situation zu verbessern.
8.
Pflegewissenschaftler. Meine Lieblinge. Es wurden „Expertenstandards“ geschaffen. Ziel. Verbesserung bei Brennpunktethemen von mangelhafter Pflege. Beispielsweise wurde ein Standard „Förderung von Kontinenz“ geschaffen. Dieser Standard ist national gültig, muss in jedem Pflegeheim umgesetzt werden. In diesem Standard wird unter anderem ernsthaft die Anleitung und assistive Durchführung täglicher Beckenbodengymnastik empfohlen um bestimmte Arten von Inkontinenz zu verhindern oder Kontinenz zu fördern. Die Originalausgaben dieser „sogenannten“ Expertenstandards sind wissenschaftlich erarbeitet. Für mich sind sie jedoch unwissenschaftlich, behandeln sie doch nur Lösungsmöglichkeit aber nicht die Umsetzung. Würde die Umsetzung dieser Standards geprüft werden, würde man sehr schnell feststellen, dass wir lügen. Ich will nicht mehr lügen.
9.
Gesetze. Menschen dürfen hinfallen, stürzen. Menschen dürfen an Gewicht verlieren, nichts mehr zu sich nehmen. Bedingt. Alte Menschen dürfen es, aber Pflegekräfte und deren Leitung müssen für derartige Entscheidungen Rede und Antwort stehen, man wird immer wieder wie ein Verbrecher angesehen. Bei dieser Beantwortung fühle ich mich immer wie ein Verbrecher.
10. (FAZIT)
Ich habe mit vielen Menschen in der Altenpflege zusammengearbeitet. Es gibt wunderbare Menschen da draußen, die nicht müde werden dieses System am Laufen zu halten. Ihnen gebührt mein Respekt und ich wundere mich oft, woher diese Menschen Kraft und Motivation für diesen Job bekommen. Es gibt aber auch unsere Gesellschaft, die dieses Thema größtenteils ignoriert. Dadurch gibt es auch Politik, Gesetze, Verordnungen, Wissenschaft und den sich dadurch resultierenden Umgang mit dem Thema „wie gehen wir mit alten Menschen um“.
Als Mensch bin ich nicht mehr bereit, Teil dieses Systems zu sein. Ich werde mich für diese Entscheidung nicht selber auf die Schultern klopfen, werde ich wohl künftig als Küchenhilfe arbeiten. Aber diese Entscheidung lässt mich wieder in den Spiegel sehen. Ich denke das wir uns in diesem Land richtig gut um Menschen kümmern, die produktiv sind oder es noch werden. Um diejenigen, die nicht produktiv sind ist das nicht der Fall. Wir sind kalt geworden. In Italien gibt es viel weniger Altenheime als in Deutschland. Warum? Weil es „Schande“ ist, die alten in das Tal der fremden Pflege zu schicken.
Für meinen Beruf habe ich zuerst meinen Körper und dann auch meine Psyche zerstört. Ich denke nun, es ist genug denn ich habe nicht mehr zu geben.
Ich bin examinierter Krankenpflegehelfer, examinierter Krankenpfleger und war in den letzten 11 Jahren als Pflegedienstleitung in 3 verschiedenen Einrichtungen der Altenpflege tätig.
Ich steige nun aus meinem bisherigen Tätigkeitsfeld aus. Im folgenden erläutere ich die Gründe für meine Entscheidung:
1.
In der Zeit in der ich meinen Beruf erlernt habe, hatte der Begriff „Pflege“ einen anderen Stellenwert als heute. Die Grundidee warum ich Krankenpfleger geworden bin, sind für mich nicht mehr existent.
2.
Ich bin am Ende einer Karriereleiter angekommen, die für mich ins „Nichts“ führt. Alle Ziele die man sich steckt, sind nicht erreichbar.
3.
Nicht nur, dass man Ziele nicht erreicht, man ist oft gezwungen „unethische“ Entscheidungen zu treffen. Als Pflegedienstleitung ist man gezwungen, Menschen zu führen und anzuleiten die andere Menschen pflegen sollen, obwohl diese Menschen aufgrund ihres Alters nicht mehr pflegen können oder aufgrund von Motivationsmangel andere Menschen nicht pflegen wollen.
4.
Viele zu pflegende Menschen wollen nicht so gepflegt werden, wie wir das tun. In vielen Gesprächen mit zu pflegenden Menschen wurde ich gebeten, das ich sie doch sterben lassen sollte. Sie flehten um mehr Aufmerksamkeit für deren Lebenssituation, waren verwirrt und wussten gar nicht mehr wo sie sich eigentlich aufhielten. Ich konnte diesen Menschen nicht helfen. Weder wollte und konnte ich sie nicht sterben lassen, noch konnte ich ihnen ein für sie lebenswertes Leben ermöglichen.
5.
Wenn man heutzutage jemand auf Nachfrage erzählt „ich bin Pflegedienstleitung in einem Altenheim“ wird man entweder mitleidig oder überrascht angesehen. Warum? Weil das ganze Thema „Pflege von alten Menschen“ im Focus steht. Leider nicht positiv. Die Gesellschaft sieht dieses Thema sehr negativ. Zu Recht. Ich denke aber, das sich diese Gesellschaft an die eigene Nase fassen sollte, denn genau DIESE Gesellschaft lässt die Probleme zu in dem dieses Thema unangenehm unter den Teppich gekehrt wird.
6.
Träger und Führungskräfte in Pflegeeinrichtungen versuchen die Problematik wie einen kochenden Wassertopf zu behandeln. Sie halten den Deckel darauf. Hauptsache, „es läuft“.
7.
Die Politik ist von Lobbyarbeit bestimmt. Jeder will etwas vom Steuer- und Versicherungskuchen abknabbern. Der Bereich Pflege interessiert Menschen nur wenn es Kinder, Schwangere und noch weitere Gruppen betrifft, die sicherlich bedürftig aber näher in der Gesellschaft stehend sind. Alte Menschen sind nicht in dieser Gruppe. Es gibt also keine (funktionierende) Lobby für alte Menschen. Demensprechend sind politische Bemühungen die Situation zu verbessern.
8.
Pflegewissenschaftler. Meine Lieblinge. Es wurden „Expertenstandards“ geschaffen. Ziel. Verbesserung bei Brennpunktethemen von mangelhafter Pflege. Beispielsweise wurde ein Standard „Förderung von Kontinenz“ geschaffen. Dieser Standard ist national gültig, muss in jedem Pflegeheim umgesetzt werden. In diesem Standard wird unter anderem ernsthaft die Anleitung und assistive Durchführung täglicher Beckenbodengymnastik empfohlen um bestimmte Arten von Inkontinenz zu verhindern oder Kontinenz zu fördern. Die Originalausgaben dieser „sogenannten“ Expertenstandards sind wissenschaftlich erarbeitet. Für mich sind sie jedoch unwissenschaftlich, behandeln sie doch nur Lösungsmöglichkeit aber nicht die Umsetzung. Würde die Umsetzung dieser Standards geprüft werden, würde man sehr schnell feststellen, dass wir lügen. Ich will nicht mehr lügen.
9.
Gesetze. Menschen dürfen hinfallen, stürzen. Menschen dürfen an Gewicht verlieren, nichts mehr zu sich nehmen. Bedingt. Alte Menschen dürfen es, aber Pflegekräfte und deren Leitung müssen für derartige Entscheidungen Rede und Antwort stehen, man wird immer wieder wie ein Verbrecher angesehen. Bei dieser Beantwortung fühle ich mich immer wie ein Verbrecher.
10. (FAZIT)
Ich habe mit vielen Menschen in der Altenpflege zusammengearbeitet. Es gibt wunderbare Menschen da draußen, die nicht müde werden dieses System am Laufen zu halten. Ihnen gebührt mein Respekt und ich wundere mich oft, woher diese Menschen Kraft und Motivation für diesen Job bekommen. Es gibt aber auch unsere Gesellschaft, die dieses Thema größtenteils ignoriert. Dadurch gibt es auch Politik, Gesetze, Verordnungen, Wissenschaft und den sich dadurch resultierenden Umgang mit dem Thema „wie gehen wir mit alten Menschen um“.
Als Mensch bin ich nicht mehr bereit, Teil dieses Systems zu sein. Ich werde mich für diese Entscheidung nicht selber auf die Schultern klopfen, werde ich wohl künftig als Küchenhilfe arbeiten. Aber diese Entscheidung lässt mich wieder in den Spiegel sehen. Ich denke das wir uns in diesem Land richtig gut um Menschen kümmern, die produktiv sind oder es noch werden. Um diejenigen, die nicht produktiv sind ist das nicht der Fall. Wir sind kalt geworden. In Italien gibt es viel weniger Altenheime als in Deutschland. Warum? Weil es „Schande“ ist, die alten in das Tal der fremden Pflege zu schicken.
Für meinen Beruf habe ich zuerst meinen Körper und dann auch meine Psyche zerstört. Ich denke nun, es ist genug denn ich habe nicht mehr zu geben.